Questin hatte geahnt, daß der Hauptmann ihm
nach so vielen Jahren grenzgeschützter Entfernung, die eine
leichtfertige Art von Vergessen begünstigt hatten, im Moment
der unausweichlichen Wiederherstellung der Erinnerung, gewiß
nicht ohne sichtbare Zeichen hochgradiger Nervosität
gegenübertreten würde.
Und er hatte auch geahnt, daß er ihn aus
genau diesem Grund wiedererkennen würde als den, dem er
bereits vor langer Zeit, Monat für Monat und täglich,
begegnet war: Ein verletzliches Gesicht, das die eiserne
Unverletzlichkeit um sich herum Lügen zu strafen schien.
Es war diese unerwartete Schwäche gewesen, in
die Questin, als er sie entdeckte, ohne zu zögern
eingetaucht war wie Siegfried in das Bad aus Drachenblut.
Und da er zu jener Zeit keinen einzigen Menschen unmittelbar
an seiner Seite wußte, keine Frau, keine Kinder, keinen
Freund, hatte das Schicksal an diesem Ort und Punkt seines
Lebens nicht die geringste Chance, über Leichtsinn und
Verrat hinweg, Schicksal an ihm zu spielen. Es gab, so
glaubte er, kein Lindenblatt am Körper seiner Seele, von dem
er nicht gewußt hätte.
Nun standen sie sich gegenüber und Questin
sah, wie die linke Hand des Mannes, der ihm einst in der
Uniform eines Hauptmanns des Sicherheitsdienstes Fragen
gestellt hatte, auffällig zitterte. Er registrierte das
regelrechte Flattern der Hand nicht zuletzt deshalb so
deutlich, obwohl es schon Abend und fast dunkel im Hausflur
war, weil der Mann vor ihm, der einen verwaschenen
Trainingsanzug der untergegangenen Armee trug, in der Hand,
die so sichtbar vibrierte, eine Zigarette festhielt, deren
glühendes Ende unruhig auf und ab tanzte und den feinen
Faden aus weißem Qualm, der aufstieg, immer wieder zerriß.
Nachdem sie sich begrüßt und der Mann hinter
ihm abgeschlossen hatte, sagte Questin: So sieht man sich
wieder. Ja, sagte der Mann leise und lief links an ihm
vorbei, ich werde wohl besser vorgehen, Sie wissen ja nicht,
wo wir wohnen. Nein, sagte Questin und folgte ihm
schweigend. Im Treppenhaus roch es nach alten Zeiten.
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